Schützenverein Welbergen 1629 e.V.
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Ein kleiner geschichtlicher Einblick in das Schützenwesen
(von S. Fehlker)

Der folgende Text soll keine genaue historische Analyse des Schützenwesens sein, sondern ein kleiner Einblick in einige interessante und unterhaltsame Aspekte aus der jahrhunderte langen Geschichte von Vereinen und Festen. Wenn sich auch die meisten Informationen auf ganz Westfalen bzw. das Münsterland beziehen, so wird doch immer wieder versucht, einen kleinen Vergleich zu unserem Welbergener Schützenverein und seiner Geschichte und Traditionen gezogen. Dabei erhält der Leser hoffentlich ganz neue Sichtweisen auf Bräuche und Entwicklungen, insbesondere wenn man deren historischen Ursprung erkennt. Aber in erster Linie sollen die folgend Informationen doch unterhalten. Daher wünschen wir bei der Lektüre viel Spaß!

 
1. Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters
2. Schützenvereine im 16. und 17. Jahrhundert
3. Aufgaben der Schützenvereine in der Frühen Neuzeit
4. Das Vogelschießen und der Schützenkönig
5. Das Schützenfest
6. Gesetze und Verordnungen zum Schützenwesen von 1533 bis 1717
7. Literatur
 
 
1. Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters

Wenn man sich mit der Geschichte des Schützenwesens beschäftigt, muss man zwischen zwei sehr unterschiedlichen Entwicklungslinien unterscheiden, zwischen denen in den Städten und denen auf dem Land. Da Welbergen - noch heute ein Dorf - zur damaligen Zeit mit hoher Sicherheit lediglich eine ländliche Siedlung, wenn nicht gar nur Bauerschaft war, so soll im Weiteren die Entwicklung auf dem Land geschildert werden.
Wenn man heutzutage zum Beispiel am Schützenfest an die Anfänge zurückdenkt, so denkt man zumeist, die Schützenvereine seien in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Niederländischen Freiheitskrieges entstanden. So führen etliche der älteren Vereine tatsächlich Gründungsjahre aus diesem Zeitbereich an: Welbergen nennt 1629 als sein Gründungsjahr, Langenhorst 1651 (also kurz nach dem Krieg), Weiner 1616, Lau-Brechte 1618 usw. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Doch die Anfänge des Schützenwesens reichen weit in der Zeit zurück, teilweise bis in die Zeit Karls des Großen (um 800 n. Chr.), nur die Quellen, insb. auf dem Land, reichen nur selten über das 16. Jahrhundert hinaus.
Auch wenn wir am Anfang von den unterschiedlichen Entwicklungen gesprochen haben, so haben alle Schützengemeinschaften, sowohl auf dem Land, als auch in der Stadt denselben Ursprung: Sie waren eine echte Notgemeinschaft, die aus der Not des Alltages und des Lebenskampfes geboren wurde.
Aber wenden wir unseren Blick wieder auf die ländliche Entwicklung: Hier waren vor allem die bäuerliche Gemeinschaft in der Nachbarschaft oder im Dorf das tragende Fundament des Schützenwesens, die Schützenvereine, waren stets Ausdruck der Wehrkraft einer Bauernschaft, doch in den Krieg selbst zogen die Bauern im Früh- und Hochmittelalter nur sehr selten. Während sie "lediglich" eine Kriegssteuer zahlen mussten, wurde das Kämpfen den Adeligen und ihren Dienstmannen überlassen. Somit blieben die Bauern von der Teilnahme am Krieg verschont, aber sie konnten noch zur Landwehr herangezogen werden: Durch den Glockenschlag der Kirchenspielskirche wurden sie aufgerufen, Verbrecher zu verfolgen oder lokal aufgeboten, um einen drohenden räuberischen Überfall abzuwehren.
Erst ab Ende des 12. Jahrhunderts waren die Landesfürsten interessiert, die Wehrhaftigkeit dieser Landwehr zu heben und in Folge dessen begann man damit, regelmäßige Musterungen und Übungen abzuhalten. Wurden diese Übungen zunächst mit der Armbrust abgehalten, so wurde ab dem 15. Jahrhundert vermehrt mit der Feuerbüchse, sprich einem damaligen Gewehr, geschossen. (Zum Schießen mit der Armbrust kam man in Welbergen nach dem 2. Weltkrieg einmalig wieder zurück. Jedoch nicht aus Nostalgie, sondern aus der Not heraus, da von dem alliierten Kontrollrat zu damaliger Zeit das Führen von Feuerwaffen verboten war). Neben den regelmäßigem Training, wie man heute sagen würde, begann man auch zu der Zeit, einmal im Jahr auf einen Vogel auf der Stange zu schießen, wie es auch in Welbergen noch immer der Brauch ist. So wurde offensichtlich im 16. Jahrhundert sogar in fast jeder Bauerschaft im Fürstbistum (bzw. fachlich korrekter Hochstift) Münster, zu dem auch Welbergen gehörte, auf einen Vogel geschossen. Bereits hier war das Schießen nicht bloß militärischer Zweck, sondern bereits mit einem geselligen Schützenfest verbunden. Mehr dazu jedoch in Abschnitt 4.

 
2. Schützenvereine im 16. und 17. Jahrhundert

Im Laufe des 16. Jahrhundert tritt der ursprüngliche Zweck des Vogelschießens als militärische Übung in den Hintergrund, der Hauptinhalt der Schützengesellschaften ist das "Schmausen und Trinken" im Zuge der althergebrachten Beisammenkünfte. So ist auch das alte Aufgebot der Bauern als Landwehr seit dem Auftreten der Söldnerheere zu Beginn des 16. Jahrhunderts kaum in Erscheinung getreten. Und auf die Wehrhaftigkeit der Landbevölkerung wurde seitens des Landesherrn kaum noch wert gelegt
Dies änderte sich insb. im Münsterland mit einem Schlage, als der niederländische Freiheitskrieg 1568 ausbrach. In Folge dessen kam es durch die beiden kämpfenden Parteien, Niederländer und Spanier, wiederholt zu Plünderungszügen kreuz und quer durch den westlichen Teil Westfalens. So wurde Ochtrup 1595 fast kampflos durch spanische Söldner eingenommen. Und im Januar 1596 fielen die Spanier aus den Garnisonen in Enschede, Groenlo und Oldenzaal ins Münsterland ein und raubten den Bauern "umme Langenhorst, umme Welbergen, umme Rodenberch und umme Wetteryngen" Vieh und Wertgegenstände.
So ist es kein Zufall, dass sich im Münsterland gerade zu dieser Zeit mehrere Schützengilden neu bildeten. Diese kleinen Heimwehren konnten sich jedoch kaum gegen die gut ausgebildeten und ausgerüsteten Söldnerheere erwehren. Die Landesherren versuchten lediglich, die plündernden Meuten durch Geldzahlungen abzuhalten; erst als diese zu teuer wurden, entschloss man sich, das Landesaufgebot neu zu organisieren.
So wurden noch vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges versucht, das Landesaufgebot und die Schützengilden neu zu organisieren, die Bauern wurden zumeist Kirchspielweise zusammengefasst und mobilisiert. Im Münsterland wurden diese Pläne auf Grund des Elends und der Not durch den Krieg jedoch kaum dauerhaft umgesetzt, so dass erst nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges die Idee der Volksbewaffnung durch den Fürstbischof Bernhard von Galen wieder aufgegriffen wurde. (So soll dieser den Wettringer Jungegesellenschützenverein 1651 bei seinem Rückmarsch aus Holland gegründet haben.) Die zahlreichen Versuche der bäuerlichen Schützen, die trotz alledem während des Krieges unternommen wurden, um marodierende Freischärler abzuwehren, scheiterten jedoch zumeist an der Überlegenheit der Söldner und konnten somit die Plünderungen nicht unterbinden.
War in den Kriegsjahren das Vogelschießen oftmals unterblieben und wurde auch das zugehörige Fest zumeist nicht mehr gefeiert, (in Welbergen wurde anscheinend, wie man an der ältesten erhaltenen Plakette erkennen kann, auch während des Krieges, genauer gesagt 1629 ein Vogelschießen abgehalten), lebten beide Bräuche in der Zeit nach dem Krieg wieder auf, teils in alten Strukturen oder aber auch in den zahlreich neu gegründeten Vereinen. Wie auch in der alten Zeit, war für alle Bauern der Bauernschaft die Mitgliedschaft in diesen Vereinigungen Pflicht. Dass man es mit der Wehrhaftmachung durchaus ernst meinte und eben nicht nur die alten Traditionen wieder aufleben ließ, erkennt man daran, dass in regelmäßigen Abständen Musterungen abgehalten wurden und die Schützengesellschaften die Aufgabe auferlegt wurde, die Bauern im Gebrauch der Waffen zu üben. Auch die Abwehr und Kontrolle über herumstreunendes Gesindel und marodierende Banden wurden übernommen, um einen gewissen Schutz für ihre Bauernschaft zu gewährleisten.

 
3. Aufgaben der Schützenvereine in der Frühen Neuzeit

Im vorausgegangenen Abschnitt wurden bereits einige Aufgaben der Schützenvereine genannt, vor allem die der Verteidigung des eigenen Besitzes und die Ausbildung der Bauern im Umgang mit den Waffen. Aber neben diesen und weiteren militärischen Aspekten oblagen den Schützen weitere Betätigungsfelder, denen wir uns im kommenden Teil widmen wollen.
Bereits angesprochen wurden einige Pflichten, die man heutzutage als polizeiliche Aufgaben umschreiben würde, wie die Aufsicht über Vagabunden und marodierende Banden. Aber wurden die Schützen auch herangezogen, um in unruhigen Zeiten Kaufleute, Reisende oder hohe Herren Geleitschutz zu geben. Auch wurde ihnen oftmals das Aufsichtsrecht über Feldfluren und Marken übergeben. An etlichen Orten verband sich dieses mit gewissen Jagd- und Fischereirechten. Von diesen sind bis zum heutigen Tage einige Traditionen übrig geblieben, die sich von diesen Rechten ableiten. Hier ist zum Beispiel das Hühner- oder Wurstholen einiger Vereine zu nennen. Früher durften die Schützen in solchen Orten an den Tagen des Schützenfestes in einigen Bezirken jagen. Später wurde dies durch das Hühner-, bzw. Wurstholen ersetzt, bei dem kleine Gruppen umherzohen und von den Bauern ein Huhn abholen, was heutzutage zumeist durch einen kleinen Geldbetrag ersetzt wurde. In Welbergen gibt es diese Tradition zum Schützenfest nicht - ein Hühnerholen in ähnlicher Form findet jedoch anlässlich des jährlichen Winterfests statt. Ob die Wurzeln hierzu auch in den vergangenen Jahrhunderten liegen, oder ob man sich nur an anderen Traditionen orientiert hat, ist ungewiss.
Ein wichtiger Aspekt der Schützenvereine ist seit jeher das Eintreten für den Nächsten. So verwundert es nicht, dass auch religiöse und karitative Betätigungen zum Vereinsleben gehören. Gott sei Dank braucht heutzutage kein Schütze mehr die folgende Arbeit verrichten: In den Zeiten von Pest und anderen Seuchen waren es oftmals die Mitglieder der Schützenvereinigungen, die die Toten tragen mussten. Auch die Fürsorge der Armen konnte durchaus im Tätigkeitsbereich der Gesellschaften liegen, so war es damals fast überall Sitte, gerade beim Schützenfest für sie etwas zu tun. Von den kirchlichen Pflichten sind besonders zwei zu nennen, die auch in der heutigen Zeit in Welbergen immer noch Bestandteil des Vereinslebens sind: Zum Einen beginnt jedes Schützenfest noch immer mit einem Hochamt, bei dem sich eigentlich jeder Schütze den Segen für die kommenden Tage einholen sollte - was - wie sollte es anders sein - aus unterschiedlichsten Gründen jedoch nicht von jedem wahrgenommen wird (oder werden kann?). Auch der Ehrendienst bei Prozessionen hat sich erhalten, noch heute nimmt die Fahnenabordnung an den Prozessionen teil.
Eine Aufgabe, die den Schützengesellschaften besonders in den Städten, aber weniger auf dem Land zukam, war die Brandbekämpfung. So enthalten einige Schützenordnungen aus der damaligen Zeit die Bestimmung, dass neu in den Verein Eintretende als Aufnahmegebühr einen ledernen Brandeimer abzuliefern hatten.
Die Rolle, die ein Schützenverein mit den oben geschilderten Aufgaben in der Gesellschaft übernahm, haben sie im Zuge der Neuordnung des gesamten öffentlichen Lebens zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgegeben. Nun traten zumeist staatliche Einrichtungen an deren Stelle, aber einiges davon lässt sich, wie oben geschildert, immer noch in den Bräuchen und Traditionen der Vereine wieder erkennen.

4. Das Vogelschießen und der Schützenkönig

In den vorausgegangenen Abschnitten wurde mehrmals erwähnt, dass neben den Schießübungen bei vielen Vereinen ein Vogelschießen abgehalten wurde, das auch der eigentliche Höhepunkt der Schützenfeste war und auch immer noch ist. Der Ursprung dessen dürfte wohl darin gelegen haben, dass bei den Übungen ein Preisschießen als Anreiz geschaffen wurde, aus dem sich ein zumeist jährliches Vogelschießen entwickelte. Schon im Mittelalter wurde auf einen Vogel auf einer Stange geschossen und derjenige, der ihn zu Fall brachte wurde der Schützenkönig genannt. Zwar ist diese Art der Benennung die am weitesten geläufige, doch nicht die einzige. Damals war es in einigen Gebieten durchaus auch Brauch, den "Besten" Schützenmeister zu nennen. Aber auch bei der Art des Schießen gab es regionale Besonderheiten in Westfalen: Während im 17. und 18. Jahrhundert im Münsterland und im kurkölnischen Sauerland das Vogelschießen die Regel war, war man z.B. im Paderbornerland auf das Schießen auf Zielscheiben übergegangen, wie man sie sonst auch beim Übungsschießen verwendete.
Beim Ablauf des Vogelschießens finden sich einige damalige Bräuche, die auch heute noch - in leicht gewandelter Form - praktiziert werden. Schon damals war es üblich, vor Beginn des Schießens ein Gebet zu sprechen, damit Gott einen vor Unglücken verhüte. Dies war durchaus notwendig, da Unfälle früher keine Seltenheit waren. Oftmals wurden sie dadurch ausgelöst, dass Schützen stärkere Ladungen in ihren Gewehrlauf stopften, wenn der Vogel nicht von der Stange fallen wollte. Ein Beispiel wird aus Ochtrup berichtet, wo im Jahre 1828 5 Menschen durch einen Rohrkrepierer schwer verletzt wurden. So verwundert es nicht, dass speziell hierzu u.a. folgende Anweisung in Welbergen noch Heute vom Platzmajor vor Beginn des Schießens verlesen wird: "Das Laden der Gewehre besorgt der Schießmeister. Eigenmächtiges Laden der Gewehre mit Iegtentinnen, Drohtniärgel und derglieken Materialien, watt nich int Gewehr hört, ist strengstens verbuodden." Sollte dagegen das Schießen in Welbergen doch einmal zu lange dauern, weil sich der Vogel als zu stabil erweist, wird, pragmatisch wie man ist, kurzerhand zur Motorsäge gegriffen, wie dies vor ein paar Jahren der Fall war, um den Vogel danach wieder zum Schießen freizugeben.
Auch das oben erwähnte Gebet wird in Welbergen noch gehaltenso dass "Unglück" anscheinend in den letzten Jahrzehnten abgehalten wurde. Ein anderer Brauch wird hingegen weiterhin praktiziert: Schon damals war es üblich, den ersten Schuss einer Respektsperson vorzubehalten. Ursprünglich war dies zumeist der Vertreter des Landesherren, heute gehört in Welbergen der erste Schuss "dem Herr Pastor", und der zweite dem Bürgermeister.
Nachdem der Vogel dann gefallen war, hatte die Gemeinschaften den also einen neuen König, der bereits seit alter Zeit als "Ehrenpreis" eine silberne Kette erhielt. Und bereits im 16. Jahrhundert bürgerte sich der Brauch ein, dass jeder König ein neues silbernes Schildchen stiften musste. Das älteste erhaltene in Welbergen stammt laut Inschrift aus dem Jahre 1629 - der damalige König war Hindrik to Bockholt - und diese Tradition des Schildchenstiftens hat sich bis heute gehalten.
Aber das Amt des Königs war früher auch mit materiellen Vorteilen verbunden. So wurde dem Schützenkönig an einigen Orten Steuerfreiheit für ein Jahr gewährt (dies ist leider heute nicht mehr möglich, der Bundesfinanzminister würde dem wohl kaum zustimmen) oder er wurde von der Landfolge und der Pflicht der Einquartierung von Soldaten befreit. Bereits damals war es üblich, dass die Schützengesellschaft oder die einzelnen Mitglieder dem König einen kleinen Geldbeitrag schenkten, damit er seine Unkosten bestreiten konnte. Auch heute noch erhält die Welbergener Majestät von seinen Gästen zumeist ein kleines Geschenk, das nicht selten im Wesentlichen aus einer kleinen Geldgabe besteht. Da diese Geschenke in Welbergen zumeist am abendlichen Königsball dem König dargebracht werden, ist dies die passende Gelegenheit zum nächsten Kapitel überzuleiten, dass ich mit dem Fest um das Vogelschießen herum beschäftig.

 
5. Das Schützenfest

Das Schützenfest, das neben dem eigentlichen Vogelschießen auch weitere Veranstaltungen wie abendliche Feiern umfasst, hat seine Wurzeln auch schon in frühester Zeit. So liegt der Ursprung des "Zech" oder "Gelags", wie es damals hieß, in den Gildebieren des Mittelalters. Dies waren regelmäßige Feste einer Gilde, die insbesondere aus einem Umtrunk, dem Gildebier, und einem Festschmaus bestanden. Eine Gilde war damals ein bäuerlicher Zusammenschluss ui einer Arbeits- und Lebensgemeinschaft, wobei sich jedoch das "Gildefest" oder "Gildebier" später in größerem Rahmen der gesamten Bauernschaft gefeiert wurden.
Zurück zu den Schützenfesten: Schon von Beginn an war das abendliche Feiern fester Bestandteil eines Schützenfestes und fand meist im Anschluss an das Vogelschießen statt. Dabei war es nicht nur Beiwerk, sondern bildete mit diesem den Vordergrund des gesamten Festes. Es war zum einen der Ausgleich für erhöhte Anspannung und gefahrvollen Einsatz, sollte aber auch durch Fröhlichkeit und Ausgelassenheit die "Gemüter aufschließen für Brüderlichkeit und Kameradschaft im Dienst an dem gemeinsamen Werk." So wurde das "Gelag" auch in schlechteren Zeiten, in denen kein Schützenfest gefeiert wurde, abgehalten, wenn auch in kleinerem Umfang.
Im Laufe der Zeit trat das Schützenfest mitsamt Vogelschießen und Feier immer mehr in den Vordergrund der Gesellschaften, vor allem je mehr der ursprüngliche Zweck der Schützenvereine in den Hintergrund trat. Dies führte sogar soweit, dass in einigen Orten, in denen bis dato keine Schützengesellschaft existierte, diese im Laufe des 18. Jahrhunderts eigens gegründet wurden, um ein Fest, bzw. ein "Schüttengelach" zu feiern.
Ursprünglich waren diese Schützenfeste bis ins 16. und 17. Jahrhundert hinein reine Männerveranstaltungen, zu denen Frauen keinen Zugang hatten. So schrieb eine Schützengesellschaft in Coesfeld Mitte des 16. Jahrhunderts ihren Mitgliedern vor, sie sollten beim Fest die "Huesfrowen to Huse laoten". Auch Schützenköniginnen gab es in der Regel erst seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. In Welbergen ist es heutzutage undenkbar, ein Schützenfest ohne Königin zu feiern. Im Gegenteil: Es ist sogar unabdingbare Vorraussetzung, dass der König eine Königin hat. So mussten im Jahr 1999 die Reste des Vogels wieder aufgehängt werden, da derjenige, der eigentlich den letzten Schuss gemacht hatte, keine Mitregentin hatte. Nach 28 weiteren Schüssen hatte Welbergen dann doch einen richtigen König mitsamt Königin.
Dass das Feiern schon immer ein wichtiger Bestandteil der Schützenfeste war und auch (teilweise mehr als) ausgiebig gefeiert wurde, bezeugen die Verordnungen der Landesherren. Diese werden, mit einigen weiteren interessanten Verfügungen im nächsten Kapitel vorgestellt.

 
6. Gesetze und Verordnungen zum Schützenwesen von 1533 bis 1717

Im Folgenden werden einige Verordnungen bzw. Gesetze vorgestellt, die ihm oben genannten Zeitraum von den Landesherren der Fürstbistümer Münster und Köln, die oftmals zu der Zeit in Personalunion regiert wurden, und des Herzogtums Cleve erlassen wurden. Diese versuchten, wie man sehen wird, oftmals die Gesellschaften zu reglementieren, aber auch Auswüchse bei den Feiern zu begrenzen. Da Welbergen zu dieser Zeit zum Fürstbistum Münster gehörte, dürften diese auch oftmals Bedeutung für die Welbergener gehabt haben. In wie weit sie diese jedoch tatsächlich beeinflussten, lässt sich nicht klären. (Quelle der Verordnungen: Plett, Schützenvereine, S. 518-521. Genauere Literaturangabe siehe unten.)

1533:

Verbot der Errichtung neuer "Schützereien"

1538:

"Anordnung" von "Schützenrotten" zu Streifzügen gegen "Gesindel" (Mordbrenner, Wiedertäufer, Bettler, Zigeuner, Heiden, etc.)

1566:

Handhabung der öffentlichen Sicherheit durch "angeordnete Schützen"

1569:

Wegen der gefährlichen Zeiten sollen in Städten und Dörfern Vogelstangen aufgestellt werden und an den Feiertagen Schießübungen abgehalten werden. (Anm.: Mit den gefährlichen Zeiten wird wahrscheinlich auf den Ausbruch des Niederländischen Freiheitskrieges 1568 angesprochen, der auch unmittelbare Auswirklungen auf den westlichen Teil Westfalens hatte).

1578:

"Die […] die häufigen Zusammenkünfte und Schwelgereinen der Unterthanen, bei […] Vogelschießen u.a. Veranlassungen, beschränkende Polizei-Ordnung wird wörtlich erneuert und soll dieselbe von den stistischen Beamten, durch Verwirklichung der darin festgesetzten Strafen für Entgegenhandlungen, strenger wie bisher gehandhabt werden."

1617:

"Bei der großen Unsicherheit des Rheinstromes und der Landstraßen, welche durch die Räubereien und Plünderungen der in den Nachbarlanden entlassenen Kriegsvölker aufs Höchste gesteigert wird, werden die erzstift-rheinischen Lokalbehörden angewiesen, mit Zuziehung der ausgesetzten Schützen und ihrer und der churfürstlichen Truppen gegenseitigen […] Assistenz, dergleichen streifendes Gesindel und verdächtiges Reiter- und Fußvolk mit gewaffneter Hand zu verfolgen und dasselbe, wenn es sich nicht durch gehörige Pässe legitimieren kann […] zu verhaften." (Anm.: Die entlassenen Kriegsvölker sind wohl auf den Waffenstillstand zwischen den Niederländern und den Spaniern im Niederländischen Freiheitskrieg zurückzuführen, der somit zigtausende Söldner quasi in die Arbeitslosigkeit schickte, und die sich nun ihren Lebensunterhalt mit Plünderungen u. ä. bestritten.)

1628:

"Behufs der zur Erhaltung des Wohlstandes der Unterthanen dringend nöthigen weiteren Beschränkung ihrer häufigen Zusammenkünfte und schwelgerischen Gelage wird landesherrlich verordnet: (…)
7. daß an jedem Orte jährlich nur einmal, an einem Nachmittage das Vogelschießen stattfinden, jedoch dazu kein außer der Bauerschaft wohnender Theilnehmer gebeten werden, und daß dabei auf 20 Personen nur eine Tonne Bier verwendet, auch jeder vor Abend wieder heimkehren soll; […]
8. daß die Haltung von Gildebieren, Glaßbieren oder Beschenkungen und dergleichen Gesellschaften verboten sein, und alle Zecherei und Trunkenheit an heiligen tagen, besonders auf dem Lande, vermieden werden soll; […]"
(Anm.: Insb. der Punkt 7 deutet daraufhin, wie ausgiebig, wenn nicht gerade exzessiv gefeiert wurde, so dass sogar der Landesherr sich genötigt sah, einzuschreiten. Ein Hinweis: Eine Tonne Bier ist nicht etwa mit 1000kg gleichzusetzen, sondern entsprach als Volumenmaß in etwa je nach Ort und Zeit 100 - 130 Liter, was aber durchaus eine ansehnliche Menge an Bier pro Person ist. Ein Hinweis, dass das Schützenwesen in Welbergen älter ist?)

1633:

Einsatz der Schützen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit: "worauf die jeden Ortes ausgewählten Schützen ausrücken und das auf böser That ertappte Gesindel verfolgen, verhaften oder bei Widersetzlichkeiten tödten sollen;" […] "und daß die wechselseitigen Schützen sich vereinigen, auch die Verhafteten an die Obrigkeit des Ortes, wo die Gefangennehmung geschehen ist, abliefern sollen;"

1658:

Da das Vogelschießen "aus abergläubischen Wesen herrühret" und nicht so sehr übt wie das Scheibenschießen, soll es überall durch dieses ersetzt werden. (Anm.: Anscheinend hat sich diese Verordnung nicht durchgesetzt, zumindest nicht dauerhaft.)

1684:

Einsatz der Schützen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit gegen Räuber, Diebe, vagabundierende Soldaten und anderes Gesindel.

1690:

Das Scheibenschießen wird an Sonn-, Fest- und Bettagen verboten. Die diversen Bestimmungen zum Verbot des Schießens bei Prozessionen und ähnlichen Anlässen werden im folgenden nicht erneut aufgeführt.

1707:

Verordnung zur Einschränkung von "Excessen" und "unzulässigen Unordnungen" beim "Schüttenspiel und Scheibenschießen".

1714:

"Bei der obwaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit durch die nach erlangtem Frieden entlassenen Kriegsvölker, wird […] befohlen, durch das Militair und durch bewaffnete Schützen unablässig patrouillieren zu lassen und das betroffene Gesindel zu verhaften […]."

1715:

Die jährlichen Scheibenschießen sind eine nützliche Übung, Missbräuche werden aber bei Strafandrohung verboten.

1717:

Scheibenschieß-Gelage und vor allem Einladung von Frauen dazu sind bei Strafe untersagt. (Anm.: Heute wäre ein Schützenfest ohne Frauen undenkbar...)


 
7. Literatur

Brockspähler, W., Brauchtum der westfälischen Schützengesellscahften, in: W. Schulte (Hrsg.): Westfälisches Schützenwesen. Beiträge zur Geschichte und zum Brauchtum der Schützengesellschaften in Westfalen, Ahlen 1953 (= Westfälische Reihe 2), S. 22- 44.
Fischer, D., Chronik des Münsterlandes, Münster 2003.
Plett, W. M., Die Schützenvereine im Rheinland und in Westfalen 1789 - 1939, Köln 1995 (= Beiträge zur Heimatpflege im Rheinland 3).
Prinz, J., Aus der Geschichte des westfälischen Schützenwesens, in: W. Schulte (Hrsg.): Westfälisches Schützenwesen. Beiträge zur Geschichte und zum Brauchtum der Schützengesellschaften in Westfalen, Ahlen 1953 (= Westfälische Reihe 2), S. 5-22.
Schützenverein Welbergen e. V. 1629 (Hrsg.): 375 Jahre Schützenverein Welbergen e. V. 1629, Welbergen 2004.